eine Pflegefamilie berichtet: nach einer längeren Wartezeit bekamen wir endlich unser sehnlichst erwartetes Pflegekind. Ein Junge 2 1/2 war bereits seit längerem im Kinderheim. Beide Eltern hatten Alkoholprobleme, hatten sich auch längere Zeit nicht mehr um das Kind gekümmert. Neben einem körperlich und auch geistigem Entwicklungsrückstand, ein gesundes Kind. Aber besonders auffällig durch extrem unruhiges Verhalten, Wutausbrüche, stundenlanges Weinen u.s.w., ein sehr anstrengendes Kind lt.Aussage des Kinderheimes. Man versprach sich eine deutliche Verbesserung durch Unterbringung in einer Pflegefamilie. Das schien sich auch zu bestätigen. Der Kleine lebte sich sehr schnell bei uns ein, hatte guten Kontakt zu uns und unserer leibl. Tochter. Die Ursache für sein hyperaktives Verhalten, sein häufiges Weinen, unkontrolliertes Lachen und nicht einschätzen von Gefahren, sahen wir eher als Folgen seiner Vernachlässigung in der ersten Zeit zuhause bei den leibl. Eltern. Wir waren überzeugt, dass sich das durch gezielte Förderung und viel Liebe und Geborgenheit ändern würde. Auch eine Untersuchung im SPZ bestätigte, dass wir auf einem guten Weg waren. Als er 4 Jahre war, kam er dann in den Kindergarten. Bereits nach 14Tagen wurde uns mitgeteilt, dass es sehr schwierig mit ihm sei. Er sondere sich von der Gruppe ab, könne sich mit nichts längere Zeit beschäftigen und sei überhaupt sehr zurückgezogen. Man wolle ihn aber weiterhin beobachten. Nach einem Vierteljahr hatte er sich eingelebt und verhielt sich ähnlich wie zuhause, sehr wild, waghalsige Turnaktionen usw., brauchte sehr viel Aufmerksamkeit. Trotzdem fand er schnell Freunde im Kindergarten und auch hier zuhause. Als es um die Einschulung ging, riet uns der Kindergarten, ihn noch 1 Jahr in einen Schulkindergarten zu geben. Wir meldeten ihn aber in die "normale" Grundschule an. Auch hier bereits nach 14Tagen das erste Gespräch. Er störe massiv den Unterricht, lenkte stets die Aufmerksamkeit auf sich und sei durch sein Verhalten nicht schulreif. Also wurde er in den Schulkindergarten angemeldet. Überraschenderweise ging es dort ganz gut und die Lehrerin meinte, er könne in eine "normale" Schule. Nach einer Untersuchung bei einer Kinder-und Jugendspychiaterin riet sie uns, ihn doch lieber in eine Lernbehinderten Schule anzumelden. Hier begann er dann auch noch mal mit der ersten Klasse. Trotzdem sofort die gleichen Probleme. Unruhe, Aggressionen, Auseinandersetzungen mit anderen Kindern, Clownereien. Auch zuhause wurde es immer schwieriger mit ihm, kein Tag verging ohne Probleme. Seine Wut, Zerstörungen, nichteinhalten von Regeln, ständiges Benutzen von Fäkalsprache u.v.m. ließen uns an unserer Erziehungsfähigkeit zweifeln. Das übertrug sich auch auf unsere Tochter, die oft nicht die Aufmerksamkeit bekam, die sie gebraucht hätte. Zwischendurch war er wieder lieb, anschmiegsam und hilfsbereit, konnte sein Verhalten selbst nicht erklären und litt auch darunter. Als er 10Jahre alt war, eskalierte die Situation und wir wußten nicht mehr weiter, wollten ihn aber auch nicht abgeben. Zum Glück bekamen wir recht schnell einen Termin in einer Kinder-und Jugendpsychiatrie und dort wurde er auf ADHS getestet. Das bestätigte sich und wir hatten die Gewissheit, keiner ist schuld an dem Verhalten. Mit Ratschlägen wie wir nun damit umgehen können und Ritialin begann eine bessere Zeit für uns alle. Auch in der Schule ging es aufwärts. Gute Noten, Aufmerksamkeit und normales Verhalten waren nun an der Tagesordnung. Gleichzeitig wechselten wir zu einem Kinderarzt, der sich speziell mit ADHS-Kindern befasste. Nach mehreren Gesprächen überwies er uns zu einer Untersuchung nach Münster um abzuklären, ob angeborene Alkoholschäden vorlagen. In Münster wurde eine ausführliche Untersuchung gemacht und es bestätigte sich, dass wahrscheinlich Alkoholschäden vorlagen. Körperlich war alles in Ordnung, aber auf geistig-psychischer Ebene hatte er deutliche Defizite. Wir waren recht betroffen über diese Diagnose, aber nicht verzweifelt. Durch die Einnahme von Ritalin waren die Probleme nicht so ausgeprägt. Das änderte sich aber mit dem Beginn der Pupertät. Von den früheren Freunden blieben nur nach die, die ihm nicht gut taten. Ritalin lehnte er ab und wenn er es nahm, war er wie versteinert. Sein Verhalten änderte sich. Er begann massiv die Schule zu schwänzen, belog uns und die Lehrer, kam betrunken nach Hause und wurde dann aggressiv, mußte sogar von der Polizei abgeholt werden. Oder er wurde zusammengeschlagen und wachte erst im Krankenhaus auf. Neben Alkohol begann er immer häufiger zu kiffen, brach die Schule ab, beklaute uns und unsere Tochter. Dieses ständige Klauen von Geld oder anderen Sachen belastete das Familienleben ganz erheblich. Intensive Gespräche in der Drogenberatung, mit Lehrern, Psychiatern brachten nichts. Er zeigte sich immer verständig und einsichtig, gelobte Besserung, vergaß aber das aber alles einige Stunden später und machte weiter wie bisher. Wenn er zuhause war, saß er stundenlang in seinem Zimmer, spielte mit der Spielkonsole und war total unmotiviert. Vom Jugendamt kam der Vorschlag zu einer Fremdunterbringung. Anfangs konnten und wollten wir uns das nicht vorstellen. Weil es aber überhaupt keine Alternative gab, er inzwischen auch 18Jahre alt war und auf dem besten Weg war, in die kriminelle Szene abzudriften und oder ein Suchtproblem zu bekommen, beschlossen wir, zusammen mit dem Jugendamt eine Einrichtung zu suchen. Vorher hatten wir aber noch einen Termin in Münster und dort ausführlich die Diagnose und auch Prognose bekommen. Die Schäden sind unwiderruflich, wenig Therapiemöglichkeiten und Unterbringung in einer Einrichtung mit 24/7(bedeutet 24Std.an 7 Tagen) Betreuung, gerechtfertigt. Das alles bekamen wir auch schriftlich und erreichten, dass er einen Betreuer einen Behinderten Ausweis und auch einen Platz in einer Einrichtung bekam, die bereit war, mit uns zusammen zu arbeiten. Ab 2006 lebte er dort und hatte trotz seiner Behinderung eine berufliche Perspektive und auch viel Kontakt zu uns. Er wirkte insgesamt selbstsicherer, beachtete die bestehenden Regeln und lernte auch Verantwortung zu übernehmen, alles im Rahmen seiner Behinderung. Ein eigenständiges, normales Leben wird er wahrscheinlich nie führen können. Seine Familie bleiben wir und er wird immer unser Sohn bleiben. 3 Jahre war er nun in der Einrichtung und hatte
in einem Ausbildungszentrum eine Ausbildung zum Maurer begonnen. Die Praxis
klappte zuerst wunderbar, die Arbeit dort machte ihm Freude. Die Berufsschule leider
nicht. Jede Gelegenheit nutzte er, um sich dem Schulbesuch zu entziehen.
Gespräche, Androhungen von Konsequenzen brachten nicht den
gewünschten Erfolg und gefährdetendie Ausbildung ernsthaft. Jede
Maßnahme hatte nichts gebracht, obwohl alle, die berufl. und
auch privat mit ihm zutun haben, bemüht waren. Er selber wußte auch, dass ein
Schulbesuch zu einer Ausbildung gehört, war aber nicht in der Lage, die
Schule regelmäßig zu besuchen. Auch andere Dinge hat er nicht wirklich
gelernt. Dazu gehörte auch der Umgang mit Geld und Einhalten von wichtigen
Terminen. In vielen Bereichen brauchte er Unterstützung wie ein kleines Kind.
Wenn er am Wochenende zu Besuch kam und wir etwas unternehmen wollten, war er sehr passiv. Auf unsere Fragen, ob wir dies oder das machen wollen,
antwortete er meistens mit : "Ich weiß nicht." Das bedeutetete dann meistens
"keine Lust, oder Angst vor der Begegnung mit fremden Menschen oder größeren
Gruppen. Seine Selbstsicherheit war sehr gering. Leider griff er immer
wieder zum Alkohol, besonders in Streß-oder Überforderungssituationen. Die
Ausbildung konnte er nicht fortsetzen und so hatte er auch kaum noch einen
geregelten Tagesablauf und auch die Langeweile ließ ihn immer wieder zur
Flasche greifen. Zwischendurch hatte er sich auch wieder Hasch besorgt. Nach
unserer Einschätzung war die Einrichtung mit ihm überfordert und wir hatten
das Gefühl, dass vieles nicht bemerkt oder unterschätzt wurde.
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